Erste Eindrücke bei der Ausbildung im Sicherungszug

Erste Eindrücke bei der Ausbildung im Sicherungszug

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Das Berlin-Brandenburger Pilotprojekt ‚Ausbildung Ungedienter‘ ging vor einigen Wochen zu Ende. Nun haben die ersten Teilnehmer in Brandenburg an der regulären Ausbildung für Reservisten teilgenommen. Jäger d.R. Daryusch Ghassemi Esfahani, Reservist aus Potsdam, berichtet hier über seine Eindrücke und Erfahrungen von der Ausbildung im Sicherungszug:

Kann ich noch mitmachen?

Im Rahmen des Projekts „Sicherungszug“ fand Anfang März ein vom Reservistenverband Brandenburg organisiertes Ausbildungswochenende statt. Als frisch gebackener Absolvent des Pilotprojekts „Ausbildung Ungedienter“ hatte ich zwar den Start der Ausbildung im Sicherungszug im Jahr 2018 verpasst, wollte aber die erhoffte Gelegenheit zur praktischen Übung nicht ungenutzt verstreichen lassen. Nicht zuletzt Dank der Hilfe des RK-Vorsitzenden konnte ich trotz verspäteter Interessensbekundung noch „hineinrutschen“.

Viele neue Gesichter

Das Gelände der Havellandkaserne war mir durch unsere RK-Abende nicht fremd. Diesmal fand ich mich allerdings in einem noch unbekannten Gebäude wieder. Und nicht nur das Gebäude war neu, auch viele Gesichter hatte ich nie zuvor gesehen. Mir wurde etwas mulmig. „Das ist sicher ein bereits eingespieltes Team aus bestens trainierten Reservisten. Da bin ich bestimmt das fünfte Rad am Wagen“, schoss es mir durch den Kopf.

Die Bedenken, nicht richtig dazuzugehören, zerstreuten sich jedoch schnell beim Beziehen meiner Stube, die ich mir mit vier anderen Kameraden teilte. Schnell war man beim „Du“, und zu meiner Freude sah ich auch bald zwei Kameraden aus unserem Ausbildungsprojekt für Ungediente. Zusammen mit den Kameraden aus der RK Potsdam kannte ich nun doch schon eine gute Handvoll Leute – immerhin.

Bei der Ausgabe der Ausrüstung bekam jeder unter anderem eines der neuen Chest-Rigs. Juhu, wesentlich bequemer und viel einfacher einzustellen als mein „heißgeliebtes“ Koppeltragegestell. Aber selbst damit machte ich noch etwas falsch und zog das Chest-Rig verkehrtherum an, weil ich den Verschluss instinktiv an meiner Vorderseite haben wollte. Das war aber falsch, denn dadurch hatte ich nun alle Taschen am Rücken. Nicht schlimm, glücklicherweise ist so ein Chest-Rig schnell aus- und wieder angelegt.

Anschließend erfolgte eine Einweisung in den weiteren Ablauf durch den stellvertretenden Landesvorsitzenden und Leiter der Ausbildung Stabsfeldwebel Marcel Glauer. Stabsfeldwebel Glauer teilte die Teilnehmer für die Ausbildung im Sicherungszug in zwei Gruppen ein und befahl die Gruppenführer. Anschließend teilte uns unserer Gruppenführer die Lage mit und wir legten als Gruppe gemeinsam u.a. den stellvertretenden Gruppenführer und den MG-Schützen fest. In einem klassischen Heimatverteidigungsszenario hatte der Sicherungszug Liegenschaften in Brandenburg gegen vereinzelnd auftretende irreguläre und reguläre Feindkräfte zu sichern. Entsprechend der Lage wurden Waffen und Ausrüstung bereitgelegt und der Alarmstuhl gepackt.

Früher als der frühe Vogel

Am nächsten Morgen wurden wir um 4 Uhr geweckt und sollten 20 Minuten später abmarschbereit vor dem Gebäude antreten. Das Licht musste allerdings ausbleibend – anziehen in nahezu völliger Dunkelheit war angesagt. Dies klappte allerdings besser als gedacht, da man uns am Vorabend den Tipp gab, uns auf ein frühes Aufstehen einzustellen und unsere Kleidung und Ausrüstung griffbereit zu positionieren. Ja, ich weiß, ohne Vorwarnung wäre der Überraschungseffekt größer gewesen, aber so konnte der komplette Ausbildungszug ohne Schwierigkeiten pünktlich antreten, und startete gleich mit einem kleinen Erfolgserlebnis in den noch jungen Tag. Der Zug rückte dann zum Truppenübungsplatz Lehnin aus. Dort hatte sich die Lage am zu sichernden Objekt verschärft.

Reservisten überwachen im Alarmposten das Gelände (Foto: Ronald Nitschke)

Vor Ort angekommen, rückten wir in ein leerstehendes Gebäude ein. Es erfolgte eine weitere, aktualisierte Einweisung in die Lage und die Ausgabe von zusätzlichem Material. Zeitglich kam die Sonne aus ihrem Versteck, und die ersten Sonnenstrahlen vertrieben die letzte Müdigkeit. Jetzt fehlte eigentlich nur noch der Morgenkaffee. Dieser wollte allerdings erst verdient werden, denn da wir in der Lage lebten, kam natürlich nicht der Lieferservice vorbei. Vielmehr erhielten wir den Auftrag, die Verpflegung von einem uns mitgeteilten Punkt aus zu bergen. Wie war das doch gleich mit Karte und Kompass?

Der erste Auftrag

Glücklicherweise gab es einige geübte Kameraden, und wir fuhren zum vereinbarten Abholpunkt. Dafür stand uns zu unserer Überraschung ein ATF Dingo zur Verfügung. Angekommen, hieß es raus aus den Wagen und Rundumsicherung einnehmen. Nach einer Weile verschwand der Kamerad zu meiner Linken, ging ein paar Meter über die Wiese und winkte mich heran. Die Verpflegung war mit einem Fallschirm abgeworfen worden. Wir transportieren die Kisten und Getränkethermen zum Dingo und hörten uns anschließend die Auswertung eines Ausbilders an. Danach verlegten wir zurück zum Platz der Gruppe, und ließen uns die Verpflegung schmecken. Endlich gab‘s den Kaffee! 

Reservisten sichern die Umgebung mit Unterstützung eines ATF Dingo (Foto: Ronald Nitschke)

Nach der Pause gab es eine Einweisung ins Gelände, in dem die andere Gruppe schon Sperren angelegt und Stellungen bezogen hatte. Nach der Geländetaufe gingen wir herunter und bezogen einen kleinen Bunker. Von dort aus wurden wir vom Gruppenführer in unsere Stellungen und den Alarmposten eingewiesen. Praktischerweise war unser Gruppenplatz per Fernmeldegerät mit den Alarmposten verbunden. Wie wir bald feststellen sollten, haperte es aber aufgrund seines biblischen Alters an der Zuverlässigkeit unseres „Ackerschnackers“.

Im Folgenden übten wir mehrmals das Szenario „Alarmierung – Beziehen der Stellungen – Feinbeobachtung – Feuerüberfall“. Dabei merkten wir schnell, wie anspruchsvoll es ist, sich bei peitschendem Wind und Dank Gehörschutz stark eingeschränktem Gehör zuverlässig zu verständigen. Für den Nachmittag war der Besuch der Dienstaufsicht angekündigt, die sich einen Überblick über die Ausbildung verschaffen und das eine oder andere Foto schießen wollte. Kein Problem, ich fokussierte mich einfach auf eventuell auftauchende „Pappkameraden“ vor unseren Stellungen.

Ein Pressestabsoffizier der Bundeswehr interviewt die Reservisten während der Übung (Foto: Ronald Nitschke)

Irgendwann jedoch sah ich einen Soldaten in gebückter Pose zwischen zwei Gebäude vorbeihuschen. Hm, war das jetzt der Fotograf oder der Feind? Wieder huschten zwei Männer in Flecktarn von Gebäude zu Gebäude. Ich beschloss meine Kameraden zu alarmieren. In Windeseile waren alle Stellungen besetzt. Danach hieß es wieder warten und das vor uns liegende Gelände beobachten. Denn die unbekannten Kräfte hielten sich vorerst zurück.

Szenario: Retten von Verwundeten

Pünktlich zum Übungshöhepunkt setzen Regen und Hagel unseren Kameraden aus der anderen Gruppe zu, die sich daran machten, die vermuteten feindlichen Stellungen aufzuklären. Wie aus der Entfernung zu beobachten war, wurden mehrere Kameraden verletzt. So konnte man während der Ausbildung im Sicherungszug praktischerweise die Szenarien „Care under Fire“ und „Tactical Field care“ üben. Später kam der bewegliche Arzttrupp mit dem Dingo. Er übernahm die Verwundeten, um sie schnell zu evakuieren.

Erschöpft aber glücklich – die Heimreise

Mit der erfolgreichen Rettung der Verletzten wurde der Ausbildungstag beendet. Beinahe jedenfalls, denn wir wurden nicht vom Bus abgeholt, sondern mussten zum vereinbarten Platz marschieren. Eine gute Idee fand ich, denn so ein kleiner Marsch zum Schluss gehört zur Abrundung eines Ausbildungstags einfach dazu. Ehrlich gesagt war ich jedoch froh, dass es ein einfacher und kein gefechtsmäßiger Marsch werden sollte. So konnten wir „den Kopf ausschalten“ und in passabler Zeit die Strecke hinter uns bringen, anstatt uns hochkonzentriert in Schützenreihe zu bewegen, gegenseitig zu sichern und dabei nur langsam voranzukommen. Am Sammelpunkt angekommen befreiten wir erst noch ein Fahrzeug aus dem durchweichten Straßengraben, ehe die gesamte Mannschaft erschöpft aber glücklich die Heimfahrt antreten konnte.

Reservisten bereiten den Abtransport von Verwundeten mit einem Dingo vor (Foto: Ronald Nitschke)

Gemütliches Beisammensein

Bei der anschließenden Nachbesprechung in der Kaserne gab es zur Freude aller beteiligten kühle Getränke und warme Würstchen. Ich entschloss mich schweren Herzens, die gemütliche Runde vorzeitig zu verlassen, um in aller Ruhe zu duschen und zeitig ins Bett zu kommen. Man ist ja nicht mehr der Jüngste. Kurz vor dem Schlafengehen schafften es meine Stubenkameraden, den wirklich fast perfekten Tag mit ihrem genialen Sinn für Humor noch abzurunden und aus einer Banalität wie einem gekippten Fenster ein Feuerwerk der Situationskomik zu zünden. Ich danke euch, ich habe wirklich Tränen gelacht!

Fazit: Eine runde Sache

Das Ausbildungswochenende kann ich nur als rundherum gelungen bezeichnen. Bei meiner ersten Ausbildung im Sicherungszug konnte ich viele neue Dinge lernen und bereits Gelerntes wiederholen und darin ein wenig sicherer werden. Vor allem durfte ich erleben, wie innerhalb kürzester Zeit aus einer gemischten Gruppe von Bekannten und Unbekannten eine wirkliche Einheit wird. Vielen Dank an die Ausbilder und Organisatoren für ein perfekt veranstaltetes, abwechslungsreiches Wochenende mit vielen Highlights und schönen Momenten!   

Daryusch Ghassemi Esfahani
Daryusch Ghassemi Esfahani

2 comments so far

Jörg Blanke

Jörg BlankeEingestellt am4:09 pm - Mrz 19, 2019

Toll geschrieben! Hat wirklich Spaß gemacht!! Können Bilder für private Zwecke zur Verfügung gestellt werden?

Ronald Nitschke

Ronald NitschkeEingestellt am4:13 pm - Mrz 19, 2019

Die Bilder in dem Artikel sind im Prinzip die Auswahl der brauchbaren Fotos.